Dienstag, 8. Oktober 2013

Im Land der Pilze

Abfahrt! Am Abend ging es los in Richtung Dänemark - zwei Autos, sechs Personen - ein Konvoi.
Endlich am Ziel, peitschte uns schon beim Aussteigen ein stürmischer Wind um die Ohren und wir hörten das Tosen der Ostsee. Ein wunderbarer Sternenhimmel, so wie man ihn eigentlich nur im Süden sieht, doch Kälte und Wind trieben uns allesamt schnell ins Haus.

Am nächsten Morgen sahen wir das Meer, es toste immer noch ungestüm und laut. Dazu strahlender Sonnenschein, ein perfekter Tag, um die Umgebung zu erkunden. Zunächst am Strand entlang. Der Wind blies nach wie vor mit unvermittelter Gewalt und rauschte in meinen Ohren. Stapf, stapf, stapf durch den Sand. Eine verlassene, in die Jahre gekommene Sitzgruppe, roh aus Holz zusammengezimmert war unsere erste Station. Die belegten Brötchen wehten verwegen auf dem Tisch umher, jedoch nicht hinunter in den Sand. Der Ausblick auf das Meer war grandios. Möwen stemmten sich gegen die Brise und standen wie Greifvögel in der Luft.

Vom Meer ging es dann ins Landesinnere. Erst durch eine hügelige Feldlandschaft und dann in den Wald. Laubwald. Und hier entdeckten wir sie: Unmengen von Pilzen. Steinpilze, unbekannte Pilze, den Rotfuß-Röhrling, den Satans-Röhrling und noch viele mehr, die ich nicht benennen konnte. Und während wir zuvor noch hoch erhobenen Hauptes durch die Gegend gewandert waren, blickten wir nun, leicht vorgebeugt, nur noch nach unten. Pilze wollten gesichtet, erkannt und im besten Fall gesammelt werden. Es dauerte gar nicht lange, da war die Tasche voll (ja, die Tasche, wir wussten ja bis dato nicht, dass hier das Pilzparadies auf uns warten würde).
Zum Abendessen gab es Pilze. Köstlich! Am nächsten Tag erkundeten wir ein anderes Waldgebiet, sammelten Pilze und verspeisten Pilze. Wieder sehr lecker. Kurz nach Mitternacht gönnten wir uns erneut eine Pilzpfanne. Somit hatten wir auch ein Alibi geschaffen, uns am nächsten Tag wieder auf die Suche zu machen. Und wir wurden abermals fündig. Auf der Abendkarte daher im Angebot: Pilze.Wir trockneten Pilze und wir versuchten uns an einem Pilzpesto um der Pilzflut Herr zu werden. Am Abreisetag aßen wir die letzten ihrer Art zum Frühstück.

Gegen eine Pilzpause auf meinem Speiseplan habe ich aktuell nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Dennoch könnte ich am Wochenende wieder Pilze sammeln gehen. Allerdings bin ich ja jetzt schon wieder in der Heimat und nicht mehr im Land der Pilze.













Montag, 29. Juli 2013

Neulich bei Freunden ...

... saßen wir Abends im Garten, die drei Kinder unserer Freunde spielten Klettern in, an und auf einem alten, knorrigen Baum.

Es dauerte nicht lange und die Jüngste der drei wollte ähnlich hoch hinaus wie die beiden älteren Geschwister. Diese lehnten das jedoch vehement ab: „Dafür bist du noch zu klein!“. Kurz war Stille, dann ließ sich die Jüngste leicht quengelig vernehmen: „Das sagt ihr jeden Tag zu mir!“.  Wieder folgte eine Pause, in der Luft lag die Anspannung höchster Konzentration - bis die Antwort kam: „Ja, das stimmt ja auch.“

Diese ungaublich logische und folgerichtige Antwort sorgte im Nachgang jedoch nicht für Ruhe und Frieden ...

Die Entdeckung einer neuen Spezies!

Schon gestern hatte ich eigentlich großen Appetit auf ein Nudelgericht, jetzt am frühen Morgen ist ein wahrer Heißhunger daraus geworden. Und während ich laufe sehe ich immer einen großen, dampfenden Teller Spagetti vor mir ...und die mir vorschwebende Portion wird mit jeder Stunde größer!
Aber erst mal wird stramm gelaufen. Den ersten Ort, Krautscheid, erreiche ich nach ungefähr zwei Stunden, doch auf einen Kaffee freue ich mich umsonst, weit und breit keine Gastronomie. Also weiter, es sind ja nur noch 10 km bis Neuerburg. Ich las, dass es auf der Strecke keine Einkehr Möglichkeit mehr geben wird geschweige denn eine Einkaufsmöglichkeit.
Doch ich habe Wasser, Obst und ein belegtes Brötchen sowie Hunger auf Nudeln dabei, da kann ja nichts schiefgehen. 
Das Wetter ist heute uneins. Es mag nicht regnen, doch die Sonne mag auch nicht kommen, merkwürdig. Einer von diesen "an-aus Tagen". Kaum habe ich den Pulli übergezogen ist lockert die Bewölkung auf, wohlgemerkt es ist nicht die Rede von Sonnenschein, und sofort ist es wieder zu warm. Also Pullover aus, schon während ich den ersten Arm heraus nestle, frischt der Wind auf und es ist wieder kalt. Hüh und hott, einerseits, andererseits.
Die Wegstrecke ist heute schön, jedoch nicht spektakulär. Das Gehen fällt mir leicht, ich bin im Tritt und komme ziemlich genau zu geplanten Zeit in Neuerburg an. Dank der guten Wegbeschreibung von den Pensionswirten finde ich auch die Abkürzung zur Unterkunft problemlos. An der Haustür hängt ein Zettel, die Familie sei hinten. Ich gehe also um das Haus herum und stehe in einem gemütlichen Gärtchen mit großartiger Sicht auf die Neuerburg und bekomme sofort noch Kaffee und Kuchen gereicht, perfekt! Wir kommen gleich ins Plaudern, es ist ganz lauschig und ruckzuck sind zwei Stunden um, ohne das ich auch nur meine Wanderschuhe ausgezogen oder mein Zimmer gesehen hätte. Da ich der einzige Gast bin, kann ich mir dann sogar ein Zimmer aussuchen. Die weitere, ausgesprochen gute Meldung lautet: im Ort gibt's eine Pizzeria!
Ich lasse mir noch eine Rundtour über die Burg in die Stadt beschreiben und stapfe los. Es ist ein hübsches Städtchen.
Auf dem Weg schau ich mir noch die Kirche an. Zwei ältere Herren sitzen schräg gegenüber auf einer kleinen Terrasse und laden mich ein, ein Bier mit Ihnen zu trinken. Das ist nett und wäre sicher interessant, wir schnacken kurz. Es hilft aber alles nichts, ich will Nudeln! Nachdem ich schon um zwei Ecken gebogen bin, überlege ich schlagartig doch noch umzudrehen, aber nein, ich lasse es bleiben, die Vorstellung eines dampfenden Nudeltellers ist übermächtig.
Also weiter, fast direkt am Marktplatz gelegen sehe ich endlich die Leuchtreklame 'Pizzeria Italia'. Drinnen sind lediglich zwei Tische besetzt, aber es ist gemütlich und die italienischen Gastwirte scheinen ihre Gäste gut zu kennen und nehmen sich die Zeit für ein Schwätzchen.
Dann bin ich an der Reihe und bestelle einen kleinen Salat, Penne Arrabiata und einen Viertelliter Rotwein. Damit die Vorfreude auf die Nudeln noch exorbitant gesteigert wird, esse ich den Salat vorab.
Der Wein wird mir in einer kleinen Glaskaraffe serviert und ich gieße mir ein kleines Glas ein. "Herrlich!", denke ich. "Dieser Moment, in dem ein intensiver Wunsch kurz vor der Erfüllung steht und ich die ersten Schlucke des Rotweins genieße, macht total zufrieden.". Ich trinke und esse langsam, um möglichst lange etwas davon zu haben. Während der Nudeltellers noch über die Hälfte gefüllt ist, gieße ich mir den letzten Schluck Rotwein in mein Glas und plötzlich Angst und Schrecken in meinem persönlichen, kleinen, italienischen Paradies: auf dem Boden der Karaffe kauert reg- und leblos eine dicke schwarze Kellerspinne. Iiiiiiiigitt, doch ich bemühe mich um Contenance und statt zu kreischen, bitte ich mit höflicher Stimme den Wirt an meinen Tisch, seine Frau ist gerade draußen. Er fragt vom Tisch zwei Meter weiter, was denn sei. Ich bitte ihn erneut, an den Tisch zu kommen, um das Spinnenthema dezent abzuwickeln, ohne das die übrigen Gäste etwas davon mitbekommen.
Er kommt, ich zeige auf die Karaffe mit der Spinne. Er schaut, kneift die Augen zusammen und runzelt die Stirn. Dann wirft er die Arme in die Luft und ruft lautstark: "Mama mia, dass ist mir noch nie passiert, in 25 Jahren nicht. Noch nie, dass müssen sie mir glauben. Muss aus Flasche kommen. Mama mia, das gibt's doch nicht!". Dabei schnappt er sich Glas und Karaffe und macht sich auf in Richtung Tresen, kontinuierlich lautstark Entschuldigungen von sich gebend. Soviel zu meinen Bemühungen, die Sache dezent abzuwickeln ... Er fragt, welchen Wein ich hatte und schenkt mir einen neuen ein, nicht ohne vorher demonstrativ eine neue Flasche zu öffnen und mir zu versichern, die Sorte sei viel leckerer.
Ich komme kaum zu Wort, um zu bestätigen, dass ich auch glaube, die Spinne war in der Flasche, da ich beobachtet habe, das seine Frau jedes Glas, das sie rausgegeben hat, noch einmal ins Licht hielt, um die Sauberkeit zu überprüfen. Dabei hätte sie diese dicke Spinne niemals übersehen können.
Ich bekomme den neuen Wein. Ein Paar ein paar Tische weiter fragt interessiert, was denn los sei, doch ich sage, diese Geschichte soll ihnen besser der Wirt erzählen, nicht ich. Sie lassen aber nicht locker und erzählen mir, sie seien gut befreundet, schon über 10 Jahre ... Also gebe ich die Spinnengeschichte leise preis. Derweil kommt die Gastwirtin wieder herein und fragt mit sicherem Instinkt dafür, das irgendetwas vorgefallen sein muss ihren Mann, was los sei. Zunächst wiegelt er ab: "Nichts, nichts, alles gut, alles gut.", doch auf ihr beharrliches Nachfragen hin, erzählt er die Geschichte, woraufhin sie entsetzt aufschreit, zu mir kommt, sich entschuldigt und mir sofort einen neuen Wein einschränkt. Ich erwähne, dass ich bereits einen neuen Wein von ihrem Mann erhalten habe. Das hindert oder bremst sie jedoch in kleinster Weise, sondern führt lediglich dazu, mir auch noch eine Flasche Wasser zu kredenzen.
Nach diesen Turbulenzen setzen wir uns alle an einen Tisch und es wird im weiteren Verlauf ein sehr lustiger und weinseliger Abend. 

Sonntag, 9. Juni 2013

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Das nächste Ziel ist Prüm. Doch wie jeden Tag heißt es zunächst einen kräftigen Aufstieg zu absolvieren, um aus dem Tal, in dem die Orte in der Regel liegen, hinaus zu gelangen. Das ist heute nicht anders. Auf dieser Etappe streife ich den Schwarzen Mann, den mit 697 Metern dritthöchsten Berg der Eifel. Mein treuer Begleiter, der Wanderführer, bietet mir eine Extrarunde auf den Gipfel. Dazu, so verrät er mir, müsste ich nur einen Bogen von 4,1 km schlagen und dann käme ich automatisch wieder zurück auf den Pilgerweg. Mein Ehrgeiz ist geweckt, die Herausforderung nehme ich an. Nach gut 8 km verabschiede ich mich also vom eigentlichen Weg und erklimme ihn, belohnt werde ich mit einer hölzernen Figur des finsteren Kerls.
Ob es daran liegt, das ich ihn nicht genügend würdige oder andere Gründe eine Rolle spielen sei dahin gestellt, aber ich verlaufe mich. Rund um mich her Wald, Wald und nochmals Wald. Die seltenen Wegweiser des Schneifel Pfads führen mich immer tiefer in die grüne Hölle. Bald ist kein Weg mehr erkennbar. Es bleibt mir nur im steilen Gelände nach den kleinen quadratischen Schildern an den Bäumen zu suchen. Dabei sehe ich quasi den Wald vor lauter Bäumen nicht, von den kleinen Schildchen ganz zu schweigen. Eine Schnitzeljagd ist nichts dagegen. Der Laubwald endet und der Nadelwald erobert sein Revier. Wolken ziehen auf und es ist düster und bedrohlich. Ich bin geneigt einzugestehen: "Ich, ja ich, ich habe Angst vorm schwarzen Mann. Zumindest ist mir mehr als mulmig."
Als ich schon nicht mehr so recht daran glaube, taucht plötzlich ein Weg vor mir auf. Die Erleichterung ist groß. Wo ein Weg ist, ist auch ein Ziel, ein Ort, Zivilisation. Es vergeht noch ca. eine halbe Stunde, gefühlt ist der Zeitraum deutlich länger, dann ist sogar Prüm ausgeschildert. 'Nur' noch 11,9 km! Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz vor drei, ich laufe also schon sechs Stunden. Dann kommen wohl noch, in Anbetracht der zu bewältigenden Höhenunterschiede, zwei bis drei Stunden drauf, bis ich Prüm erreichen werde. 
Nach weiteren 6 km stoße ich wieder auf den Pilgerweg. Selten habe ich mich über das Zeichen der gelben Muschel auf blauem Grund mehr gefreut. Der Rest ist zwar kein Kinderspiel, aber machbar. Selten war ich allerdings erschöpfter als heute ...

Mittwoch, 5. Juni 2013

Bloß nicht verweilen in Hausweiler!

Bis in die Innenstadt von Brühl sind es gute 2 km. Dort mache ich einen Frühstücksstopp und genieße den heißen Kaffee.
Dabei versuche ich meine nächste Übernachtung in Vernich zu buchen. Ein völlig neues Erlebnis: die Frau am Telefon der ersten Pension ist richtig unfreundlich und herrscht mich an: "Ein Zimmer? Heute Abend? Nee, das geht nicht, da müssense zwei Wochen vorher anrufen. Aber doch nicht heute, das geht nicht!" Aufgrund meiner neuen Gelassenheit als Pilgerin diskutiere ich nicht mit ihr über den geforderten Buchungsvorlauf, sondern nutze eine ihrer wenigen Atempausen in der Tirade, um mich für die Informationen zu bedanken und lege fix auf. 
Bei der Pension, die ich als nächstes ins Auge fasse meldet sich niemand. Ich stoße auf ein Hotel im nächsten Ort, rufe an und bekomme ein Zimmer.
Auf geht's, diesmal laufe ich an dem hübschen Flüsschen Erft entlang. Euskirchen lasse ich aus und bleibe schön am Flusslauf auf wunderbar grünen, einsamen Wegen. Bei Vernich spricht mich ein auf einer Bank sitzender Mann an und fragt, ob ich pilgere. Das bejahe ich und setze mich zu ihm. Er ist sehr verzweifelt, seine Frau ist vor kurzem gestorben und er hadert. Kann nicht wieder Fuß fassen und kann auch nicht die schönen Seiten des Lebens sehen. Nur Verzweiflung und Zukunftsangst.
Nichtsdestotrotz ist er an meinem Weg interessiert und zieht das auch für sich in Erwägung. Für einen Neuanfang. Als er hört, das ich durch Nonnenbach wandern werde, legt er mir das Café Maus ans Herz. Geführt von Frau Maus, mitten im Wald gelegen, da war er oft mit seiner Frau. Ich freue mich über den Tipp und sage, ich werde dort auf jeden Fall eine Rast einlegen. Sodann bekomme ich meinen ersten Auftrag, nämlich Frau Maus von ihm, Herrn Schwan, zu grüßen.
Weiter geht es an der Erft entlang. Dann erreiche ich Hausweiler und bin entsetzt. Der Ort ist fürchterlich. Er wirkt Elend, trost- und leblos sowie arg verfallen. Übergeblieben ist er und keiner will ihn mehr. Anscheinend auch die Einwohner nicht. Besucher wie ich schon gar nicht!
Meine Unterkunft ist nicht besser. Das sogenannte Hotel war einmal, doch gehört längst der Vergangenheit an. Die 76 jährige Frau Borkenhagen hat den Betrieb längst aufgegeben. Monteure quartieren sich zuweilen noch hier ein. Der Gasthof ist schon viel Jahre geschlossen (mein Wanderführer wurde 2009 herausgebracht), gerade baut ein Osteuropäer, einst auf Montage, ihr die Wohnung ins Erdgeschoss, da sie keine Treppen mehr steigen kann. Mir schwant Übles.
Sie zeigt mir mein Zimmer. Ich versuche nicht allzu genau hinzuschauen. Es ist einfach nur dreckig. Immerhin wirkt das Bett frisch bezogen. Ich will's nicht weiter hinterfragen.
Auf den Boden werde ich auf keinen Fall einen unbeschuhten Fuß setzen. Ekelfaktor ohne Grenzen!
Es hilft nichts, ich bin total kaputt und ein anderes Domizil gibt es erst in ca. 7 km. Also Augen zu und durch. Aber es ist widerlich. Das führt dazu, dass ich jetzt schon Angst vor dem Frühstück morgen früh in diesem Etablissement habe. Ab in's Bett, damit ich möglichst wenig von dem Grauen wahrnehme.
Leider hilft es auch nicht, dass ich mir vor Augen führe, dass die alte Frau es einfach nicht mehr in Schuss halten kann, denn das birgt ganz fürchterlich realistische Schlussfolgerungen von etlichen Stufen der zunehmenden Verwahrlosung.
Irgendwann nach einer langen, unruhigen Nacht dämmert endlich der Morgen. Auch im Bad mag ich nicht barfuß gehen und in der spackig-schimmligen Dusche bin ich nur damit beschäftigt, nix zu berühren. Ach, könnte ich doch schwebend duschen ...
Das Frühstück findet im Erdgeschoss der heruntergekommenen Baustelle statt. Frau Borkenhagen hat den Tisch gedeckt und ich bringe es nicht über's Herz einfach zu gehen.
Und ganz ehrlich, es sieht weniger schlimm aus, als ich befürchtet habe. Sie schenkt mir Kaffee ein und setzt sich mir gegenüber.
Derweil schneide ich ein Brötchen auf. Die Konsistenz spricht für ein Mindestalter von zwei Wochen und garantiert nicht zum ersten Mal aufgewärmt. Es schaudert mich.
Frau Borkenhagen sagt: "Die Brötchen sind nicht so gut.".
Das bestätige ich ohne jegliche Einschränkungen.
Dann erzählt Frau Borkenhagen mir ihre Lebensgeschichte. Aus Brühl stammend, geschieden, gebaut, seit 27 Jahren dieses Haus, Tochter wohnt in Köln, sei faul, bekommt seit Jahren Hartz 4 und erbt nix. 
Ich frage nach dem anderen Gasthof, dem Hausweiler Hof. Sie winkt nur ab. Der Besitzer sei schon über 80 und da laufe gar nichts mehr. Hmm, das lasse ich so stehen, es scheint mir so sein zu können.
Das Frühstück bringe ich mit Anstand hinter mich. Selten habe ich mich mehr auf den Aufbruch gefreut.
Wenn ich noch eine Empfehlung aussprechen darf: meidet Hausweiler wie der Teufel das Weihwasser. Es ist fürchterlich, es ist eine Strafe. Ich will und werde nie wieder einen Fuß in diesen Ort setzen.

Dienstag, 28. Mai 2013

Falscher Fallschirmjäger

Ein älterer Mann spricht mich noch in Dortmund an: "Vor Ihnen muß man ja fast Angst haben! Sie sehen aus wie ... wie, ja fast wie ein Fallschirmjäger!".
Ich antworte, ich sei eine ganz friedliche Wanderin und er habe nichts von mir zu befürchten. 
"Aah, wandern. Weit?". 
"Jau, ich komme von Münster und will bis Trier."
 Sagt er: "Neeey!". 
Sage ich: "Doch!". 
Sagt er wieder: "Neeey!". 
Das Gespräch gerät kurz ins Stocken, da ich nicht schon wieder 'doch' sagen will. 
Da versichert er sich noch mal: "Zu Fuß?". 
"Ja", antworte ich. 
"Das ist aber weit, neeeey!". 
Erneute Gesprächspause. 
"Und wo geht's hin?". 
Der Einfachheit halber gebe ich jetzt lieber Herdecke, mein heutiges Etappenziel an. 
"Oouh, da müssense hier immer gerade aus." 
Sage ich: "Neeey! Ich laufe nach Wanderführer, durch den Wald und so." 
Er stutzt. "Gehnse hier immer gerade aus, dann kommense nach Herdecke." 
Jetzt hilft nur noch die Flucht nach vorn. Überschwänglich bedanke ich mich für seinen Tipp, ergreife eine seiner herunterhängenden Hände, schüttle sie kräftig und eile geschwind meines Weges.

Sonntag, 26. Mai 2013

Tristesse in Dortmund

Etappe 4  des Pilgerwegs Lünen - Dortmund 
Am Morgen bekomme ich in meinem Zimmerchen ein leckeres Frühstück serviert, sogar mit Ei. Und dann nichts wie los in den Regen! Die Wettervorhersage sprach von einer hundertprozentigen Regenwahrscheinlichkeit und das ist nicht übertrieben. Leichte Variationen gibt es lediglich hinsichtlich der Stärke des Regens. Es prasselt ununterbrochen, in kurzen Momenten des Tröpfelns wage ich es verwegen, die Kapuze der Regenjacke abzusetzen und kurz befreit um mich zu spähen. 

So vergeht Stunde um Stunde. Da ich nicht den richtigen Ort für eine Pause finde, laufe ich ununterbrochen.
Im Naturschutzgebiet nördlich von Dortmund dann Irrungen und Wirrungen im Wald. Ausgerechnet dort, wo es drei Passiermöglichkeiten gibt, ist das Pilgerzeichen abgerissen, ich entdecke nach längerem Suchen noch einen ca 2 cm großen Rest.
 1, 2 oder 3, ich muss mich entscheiden, was ist schon dabei... und ich entscheide mich für,TATA: links. Nach einer Weile stimmt es mich verdrießlich, dass partout kein Hinweis zu entdecken ist, der mir anzeigt, dass ich mich auf dem Pilgerweg befinde. Auch nicht, als ich das Ende des Waldes erreiche, also drehe ich um. Zurück an der Kreuzung wähle ich nun den eher rechts ausgerichteten Weg. Doch obwohl ich ordentlich ausschreite, zeigt sich mir keine Pilgermuschel. Allmählich werde ich trotzig. Auch meine Wanderkarte hilft mir nicht. Jedoch bin ich nicht geneigt, schon wieder umzudrehen. Schließlich erreiche ich eine Straße. Nach ca. 500 m stelle ich fest, dass es nicht die Straße ist, für die ich sie gehalten habe, das bedeutet: umdrehen, grrrrr...doch ich reime mir nun meinen Standort zusammen, gehe zurück, aber nicht wieder in den Wald, oh no! Ich nehme die Straße und tatsächlich stoße ich nach ca. 1 km wieder auf den Pilgerweg. Selbstverständlich regnet es immer noch.

Die Strecke nach Dortmund, auch in die Stadt hinein, ist total grün. Bis dato kannte ich Dortmund nur von Ankunft am Bahnhof, das war grau und häßlich, einziger Lichtblick dort das gelbe U. 
Auf den Dortmunder Straßen ist nix los, neben dem Regen sorgt auch das gestern Abend verlorene Finale für Trübsal. Wetter- und Fußballgott haben sich zusammen getan und nun kommt's ganz Dicke für Dortmund. Die Tristesse lässt sich nicht so einfach wegfegen wie der Müll am Ort des Public Viewing, sie ist hartnäckiger und wabbert unheilsam durch die Stadt. 
Gute Nacht Dortmund!